
Mahnmal am Kalvarienberg in Wartberg ob der Aist, nach einem Entwurf Herbert Friedls
Die vier Lieder der Mauthausen-Kantate von Mikis Theodorakis sind inspiriert von einem Buch des griechischen Autors lakovos Kambanellis, in dem die Geschichte von Leben und Tod im Konzentrationslager Mauthausen erzählt wird.
Im Hinblick auf die bevorstehenden Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Faschismus verfasste Wolfgang Simböck im Jahr 1984 eine deutsche Übersetzung des Textes der Mauthausen-Kantate – zwar aus der englischen Version, doch in Zusammenarbeit mit einem griechischen Studenten. Dabei wurde keine wortwörtliche Übertragung aus dem Griechischen ins Deutsche angestrebt, vielmehr ging es Wolfgang Simböck darum, mit der vorliegenden deutschen Fassung hinsichtlich Aussage, Bedeutung und Wirkung des Textes dem nahezukommen, was der griechische Originaltext hinsichtlich der genannten Kriterien in seinem Herkunftsland erfüllt.
Das erste Lied der Mauthausen-Kantate, „Lied der Lieder“, wurde vom Demokratischen Chor Braunau bereits im Herbst 1984 bei Veranstaltungen in Burghausen und Ried im Innkreis zur Aufführung gebracht.
Rechtzeitig zu den Befreiungsfeiern im Frühjahr 1985 waren auch die weiteren Teile der Mauthausen-Kantate sowie das Lied „Uns diese Erde“ einstudiert, und so konnte der gesamte Zyklus bei unzähligen Veranstaltungen, u.a. in Wien, Linz, Salzburg, Vöcklabruck, Braunau und selbstverständlich in Mauthausen, vorgetragen werden.
Auch bei Auftritten in den folgenden Jahren wurde immer wieder auf das Werk zurückgegriffen.
Die Lieder der Mauthausen-Kantate handeln von der Trauer und der Verzweiflung, vom Todeskampf und den Qualen, am Ende aber auch von der Sehnsucht und der Hoffnung der Häftlinge im Konzentrationslager Mauthausen und wohl auch derer in all den anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern.
„Niemand weiß, wie schön meine Liebste war!“: Mit der verzweifelten, von Erinnerungen an schönere Zeiten begleiteten Klage eines jüdischen Häftlings, der erfahren muss, dass die Frau, die er liebt, eben in die Gaskammer geschickt wurde, wird im „Lied der Lieder“ ein textlich wie musikalisch tief berührender Anfang 1 gesetzt.
Deutlich treten Anklänge an das alttestamentliche „Lied der Lieder“ oder „Hohelied der Liebe“, eine Sammlung von Liebesliedern in der Hebräischen Bibel, hervor; die dort beschworenen Töchter Jerusalems aber sind hier zu den Mädchen von Auschwitz und Dachau, von Mauthausen und Belsen geworden; Ort des Geschehens sind nicht mehr die Gassen und Plätze der Stadt (Jerusalem), in und auf denen der Geliebte gesucht wird, sind nicht mehr Naturschauplätze, mit denen Liebe, Lust und Lebensfreude assoziiert werden, sondern Ort des Geschehens ist hier der eisige Appellplatz; der Weg führt nicht mehr in den Garten der Liebe und nicht mehr in die Liebeskammer, die „lange Reise“, auf der die Geliebte gesehen wird, ist der Weg in die Gaskammer; und die Freude an der Schönheit der geliebten Frau gehört einer traurig erinnerten Vergangenheit an.
Von den erlittenen Qualen auf der „Todesstiege“ und der Verunmöglichung mitleidvoller Hilfe erzählt das zweite Lied.
Über die heute entschärfte, damals aber aus völlig unregelmäßigen Stufen gebildete „Tränenstiege im Vorhof des Todes“ mussten die schweren Granitbrocken aus dem Steinbruch im „Wiener Graben“, die zum Teil das Körpergewicht der geschwächten Häftlinge überschritten, geschleppt werden.
Unzählige Häftlinge brachen unter der Last zusammen und blieben liegen, viele wurden von den Wächtern und Antreibern auf oder nahe der Todesstiege erschossen oder grausam zu Tode gequält.
Unterschiede zwischen den Häftlingen nach nationaler Herkunft, religiösem Glauben oder politischer Überzeugung sind unter dieser Folter hinfällig geworden, denn, so der Liedtext: „Marschier’n müssen alle bis zum Ende…“. Mitleid und die ohnmächtig erflehte gegenseitige Hilfe sind verpönt, sie gelten als „Frevel“ und „Fluch“.
Die „Mühlviertler Hasenjagd“, seit dem Erscheinen des Kinofilms „Hasenjagd“ von Andreas Gruber breiteren Bevölkerungskreisen ein Begriff, also jene Hetzjagd auf hunderte im Februar 1945 entflohene sowjetische Häftlinge, die unter Mithilfe von Zivilpersonen aus der Umgebung des Konzentrationslagers Mauthausen stattfand und bei der fast alle Flüchtenden wieder gefangengenommen und getötet wurden, bildet den historischen Hintergrund des dritten Liedes.
Text wie Musik verleihen dem Entsetzen darüber Ausdruck, dass ein Land, das Goethe und Mozart als Exponenten seiner Kultur feiert, in diese unvorstellbare Barbarei hinabgesunken ist.
Hoffnung gegen allen Tod, gegen alle Trauer und Verzweiflung, Hoffnung auf die Zeit nach der Befreiung und nach dem Krieg scheint im vierten und letzten Lied der Mauthausen-Kantate durch.
Die Sehnsucht nach Umarmung und Liebe konnte in all den Jahren des Terrors und der Erniedrigung, der Qual und der Tränen nicht erstickt werden.
Das „Mädchen mit den Tränen in den Augen“ und „den blaugefror’nen Händen“ wird beschworen: „Vergiss mich nicht, wenn dieser große Krieg vorbei ist!“
Der Text der dritten Strophe wurde auch als
Leitspruch für die Todesanzeige und das Totenbild
von Wolfgang Simböck gewählt:
„Im hellen Tage woll’n wir lieben, in jedem düst’ren Loch des Todes, bis seine schwarzen Schatten weichen.“
Auszug aus dem Originaltext des Booklets der CD-Mauthausenkandate von Sebastian Plank
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